Der letzte unbekannte Schritt der Vitamin B2 Biosynthese an der HSFS entschlüsselt

Vitamin B2: Ein toller gelber Farbstoff

Es war einmal eine Zeit, da konnte einigermaßen berechenbar mit dem Nobelpreis rechnen wer ein Vitamin entdeckt hatte. Bei der Entdeckung des Vitamins B2 hatten allerdings gleich vier Nobelpreisträger die Hand im Spiel. In den dreißiger Jahren konkurrierten Paul Karrer und Richard Kuhn um die Reinigung und Strukturaufklärung einer Substanz aus Molke, die wegen ihrer Herkunft und ihrer gelben Farbe zunächst als Lactoflavin, Ovoflavin, Hepatoflavin, Vitamin G, Vitamin B2 und schließlich, nach erfolgter Strukturaufklärung als Riboflavin bezeichnet wurde.

1937 bzw. 1938 erhielten Kuhn und Karrer Nobelpreise für ihre konkurrierenden Arbeiten über das Vitamin B2 und außerdem über einen zweiten gelben Naturstoff, das Carotin. Noch vor dem Abschluss der Arbeiten zur Riboflavinstruktur begann Otto Warburg mit Arbeiten über ein gelben Eiweißstoff und implizit über seinen Cofaktor, der sich später als 5’-Phosphat des Riboflavins herausstellte. Warburg hatte schon vorher, 1931, den Nobelpreis erhalten für Arbeiten über „Atmungsferment“. Einem nicht gesicherten Gerücht zufolge war er 1944 Kandidat für einen zweiten Nobelpreis, den er allerdings wegen der Entwicklungen in und um Nazi-Deutschland nicht erhalten konnte. Für die Fortsetzung der Arbeiten über das Warburg’sche gelbe Enzym kam dann aber 1951 Hugo Theorell zum Zug; er hatte seine Arbeiten über Flavoenzyme als Gast im Warburg’schen Institut 1933 – 1935 begonnen.

Was war so aufregend an diesem gelben Naturstoff? Man schätzt, dass 1 – 3 % aller zellulären Proteine Flavin-Cofaktoren benutzen. Und die mechanistische Vielfalt der Flavin-abhängigen Reaktionen ist anscheinend schier unbegrenzt und wahrscheinlich noch immer nicht in vollem Umfang bekannt. Zu den klassische Ein- und Zwei-Elektronen-Übertragungen haben sich zahlreiche Nicht-Redoxreduktionen gesellt, z.B. Eliminierungen und Fragmentierungen (DNA-Photolyasen). Dazu kommen photobiologische Prozesse, z.B. Antennenfunktionen bei der bakteriellen Lumineszenz, Blaulichtwahrnehmung bei Pflanzen und Mikroorganismen mittels einer geradezu rasant anwachsenden Vielzahl von Photorezeptoren, die Mitwirkung bei der Synchronisieriung endogener Uhren mit geophysikalischen Prozesse (circadiane und saisonale Rythmen).

Schließlich ist das Vitamin B2 auch ein großtechnisches Produkt mit einer geschätzten Jahresproduktion von 3000 Tonnen. Dieses Material landet überwiegend im Hühner- und Schweinefutter.

Die Biosynthese

Die Riboflavin- oder Vitamin B2-Biosynthese startet mit den beiden einfachen Vorläufermolekülen GTP und Ribulose-5-phosphat. Zunächst erfolgt eine Ringöffnung am GTP, anschliessend eine Desaminierung des Pyrimidinrings und Reduktion der Riboseseitenkette, die in verschiedenen Organismengruppen mit unterschiedlicher Reihenfolge ablaufen. Die Reaktionen liefern 5-Amino-6-ribitylamino-2,4(1H,3H)-pyrimidindion-5’-phosphat. Wie der Phosphatrests aus diesem Intermediat abgespalten wird, war bis vor kurzem noch unklar; die Abspaltung ist aber notwendig weil nur das dephosphorylierte Intermediat als Substrat der Lumazinsynthase dienen kann.

Lumazinsynthase benötigt als zweites Substrat das Kohlenhydratderivat 3,4-Dihydroxy-2-butanon-4-phosphat. Dieses entsteht aus Ribulose-5-phosphat, bei der C-4 des Zuckers als Formiat abgespalten wird. 

Die letzte Reaktion des Biosynthesewegs ist die Bildung des  aromatischen Rings des Vitamins durch Übertragung einer C4-Einheit zwischen zwei identischen SusbtratmolekülenSubstratmolekülen.

Durch aktuelle Arbeiten an der HSFS ist es nun gelungen, diesen letzten noch fehlenden Schritt zu identifizieren

Enzymes from the Haloacid Dehalogenase (HAD) Superfamily Catalyse the Elusive Dephosphorylation Step of Riboflavin Biosynthesis.

Haase I, Sarge S, Illarionov B, Laudert D, Hohmann HP, Bacher A, Fischer M.
Chembiochem. 2013 Oct 7. doi: 10.1002/cbic.201300544. [Epub ahead of print]

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